Maria Marc – Einblicke in ihr Leben (1876-1955)

Die ehemalige Marc-Villa liegt heute etwas versteckt, inmitten eines Wohngebiets, am Rande der Ortschaft Ried. Von der nahen Bundesstraße Richtung Kochel erhascht man im Vorbeifahren nur einen flüchtigen Blick auf das Anwesen, das noch heute von hohen Bäumen und einem gepflegten Garten umgeben ist. Längst haben die Besitzer gewechselt. An die Bewohner des Hauses vor über 100 Jahren erinnert die Zufahrtsstraße zum Anwesen, die nach dem berühmten Eigentümer ab dem Frühjahr 1914 benannt ist: Franz-Marc-Straße. Der Marc-Enthusiast steht in gebührendem Abstand am Grundstück und blickt ehrfürchtig auf das Haus mit seinem erkerartigen Türmchen in der Mitte. Hier also haben Franz und Maria Marc ihre letzten gemeinsamen Monate verbracht, ehe am 1. August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach und Franz Marc an die Westfront eingezogen wurde.
Ob ihr Ried mit den „13 Kellerstufen“ zeitlebens zu einem wohlfühlenden Zuhause wurde, nach dem sie sich immer gesehnt hatte? In ihren Erinnerungen erwähnt Maria Marc ein „banges Gefühl“, das sie bereits während der Umzugsvorbereitungen von Sindelsdorf nach Ried immer wieder im Stillen beschlich. Franz erzählte sie nichts davon. Zu euphorisch blickte er einer gemeinsamen Zukunft entgegen, aufbauend auf den künstlerischen Erfolgen der vergangenen Jahre. In Ried sollte eine neue Schaffensperiode beginnen. Vielleicht auch endlich die lang ersehnten Kinder geboren werden? „Franz ging mit einem überglücklichen Gesicht herum und freute sich über alles, hing Bilder auf und stellte sich schon in Gedanken vor, wie wir mit unseren Freunden – Kandinsky, Mackes, Niestlés in unserem Wohnzimmer zusammen sitzen und reden würden.“1 Die wenigen Monate, die ihnen in ihrem neuen Haus gemeinsam vergönnt sein werden, sind ungetrübt und waren erfüllt mit einer ungeheuren Schaffensfreude Franz Marcs. „Das sind schöne, unvergessliche Stunden gewesen.“2
Einen Tag vor dem Peter-und-Paul-Feiertag überkam Franz Marc eine große Sehnsucht nach seiner geliebten Staffelalm, auf der er in den zurückliegenden Jahren immer wieder schöne Sommermonate erlebte. Gemeinsam mit Maria wanderte er hinauf, um dort oben mehrere Tage zu verbringen. „Vollbefriedigt“ stiegen sie, in Vorfreude auf ihr neues Haus, wieder hinunter und erfuhren bei ihrer Ankunft vom tödlichen Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Ehefrau Sophie. Mit einem Schlag war es wieder da, das bange Gefühl.
In den letzten Tagen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, auf der Höhe der sich zuspitzenden Juli-Krise, besuchte sie Wassily Kandinsky in Ried, aufgelöst und in bedrückter Stimmung. Beide Künstler ahnten, dass sie sich wohl nie wiedersehen würden. Tief betrübt saßen am Vorabend der Mobilmachung Maria und Franz Marc alleine zusammen in ihrem Haus in Ried. Das bange Gefühl, es beherrschte ihre Gedanken. Franz bat Maria, noch einmal auf dem Klavier zu spielen. „Ich konnte mir nun das bange Gefühl erklären, das mich in den letzten Monaten nicht verlassen hatte. Es war die Vorahnung dieser furchtbaren Katastrophe.“3

Das herrschaftliche Haus, dessen Räume nach dem Tod ihres Franz Rittersporn im März 1916 so entsetzlich leer und die Erinnerungen darin so lebendig und quälend waren, aber auch der fehlende, in alle Himmelsrichtungen auseinandergerissene Freundeskreis, erschwerten es Maria Marc, in Ried dauerhaft zu bleiben. Um einer inneren Haltung bemüht, zwischen der Verantwortung gegenüber des Nachlasses von Franz Marc und den eigenen künstlerischen Visionen stehend, schreibt sie am 15. Februar 1918 in einem Brief an Gabriele Münter, „ … ich lebe hier sehr still und ganz einsam in Ried und bin ehrlich bemüht, nicht allein mit meinem traurig gewordenen Leben fertig zu werden, sondern auch inneren Gewinn aus diesem stärksten Erlebnis zu ziehen. Damit meine ich auch, Franz immer näher zu kommen, sodass uns nur das Äußere trennt. Aber es ist recht schwer immer einsam zu sein, das Leben ist kalt und ich war an Sonne gewöhnt und an so viel Wärme.“4
Es ist weniger das Alleinsein, das ihr zu schaffen macht, vielmehr ist es die innere Einsamkeit, mit der sie in den ersten Jahren nach dem Kriegsende zu kämpfen hat. Der Verlust des geliebten Lebensmenschen, dessen Tod eine physische, wie auch eine im geistigen Sinne nicht zu füllende Lücke hinterlassen hat, zwingt sie, einmal mehr in ihrem Leben, neue Wege zu gehen. Franz Marc war ihr in den Jahren ihres Zusammenlebens zu einem wichtigen Mentor geworden. Jedoch vermochte auch er es nicht, sie zu einem eigenen, schlussendlich befriedigenden Malstil zu führen, den sie sich vorstellte. „Und meine Sehnsucht ist Kunst – wenn ich malen könnte, fände ich wohl die Harmonie zwischen außen und innen im Leben – aber ich glaube nicht an mein Talent – an eine eigene schöpferische Kraft. Vielleicht fühle ich sie doch mal in irgend einer Form – aber eben geht es nicht und um nicht ohne künstlerische Betätigung zu sein, mache ich manchmal eine Stickerei nach den Anregungen, die Franz mir in seine Skizzenbücher zeichnete. Aber – es befriedigt mich nicht ganz, mal hie und da eine reizvolle Stickerei zu machen; ich möchte mehr geben können. Doch erzwingen lässt sich nichts.“,5 fährt sie selbstreflektierend an ihre Künstlerkollegin Gabriele Münter fort.
Aber es ist nicht allein das fehlende Selbstvertrauen in den eigenen Ausdruck, der ihr das Malen verleidet, sondern mit Sicherheit auch eine seit 1907 andauernde rheumatische Erkrankung, die ihr es zeitweise unmöglich macht, einen Pinsel oder Stift in die Hand zu nehmen. Spätestens in den Jahren nach dem Tod von Franz Marc wird sie die Malerei endgültig aufgeben und sich einer neuen Kunstform zuwenden.

Ihren Lebensweg beginnt sie in Berlin, am 12. Juni 1876 als Bertha Pauline Marie, Erstgeborene von Philipp und Helene Franck. Ihr Bruder Wilhelm kommt drei Jahre später zur Welt. Der Vater wird sich bis zum Bankdirektor der Preußischen Boden-Aktien-Kreditbank hinaufarbeiten, so dass die Familie im Gebäude der Bank, in der Nähe des Berliner Doms, eine großräumige Wohnung mit Dienstpersonal bezieht. Die Erziehung von Mädchen aus bürgerlichen Familien in der wilhelminischen Zeit kannte vor allem ein Ziel: die standesgemäße Verheiratung der jungen Frauen, die zuvor in den Themen der Konversation gebildet und in perfekter Haushaltsführung geschult wurden. So besuchte auch die strebsame Maria Franck, die früh ein besonderes Talent in den musischen Fächern wie Zeichnen und dem Klavierspiel zeigte, die Höhere Mädchenschule, die sie mit einem guten Zeugnis abschloss. Mit der Unterstützung der Eltern, die durchaus die Talente der Tochter erkannten und bis zu einer bestimmten Grenze förderten, absolvierte sie bis 1895 die Ausbildung zur Zeichenlehrerin an der Berliner Königlichen Kunstschule. Der Abschluss berechtige Maria Franck als Zeichenlehrerin in Volks- und Mittelschulen sowie an Höheren Mädchenschulen zu unterrichten. Es war einer der wenigen Berufe, die Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert ausüben durften.
Doch sollte das alles gewesen sein, was das Leben für die lebenshungrige und als warmherzig beschriebene junge Maria bereithielt? „… ich wurde … zurückgehalten, und alles das, was mir lieb war und erstrebenswert erschien, als Verrücktheit und Überspanntheit erachtet“,6 wird sich später Maria Marc an die lebhaften Auseinandersetzungen mit ihre Eltern erinnern, die keineswegs erfreut darüber waren, dass ihre Tochter den Weg der gesellschaftlichen Normen verlassen wollte, um Malerin zu werden. Sie haderten mit diesem Lebensplan und konnten sich nur zögernd durchringen, die Tochter nach München ziehen zu lassen, das sich neben Paris um 1900 zu einer angesagten Metropole der Künste entwickelte. Welche Kämpfe mussten ausgefochten werden! Ausgerechnet München, die Sündige! Welche Überredungskünste eingesetzt werden. Schlussendlich ließen die Eltern Maria nach monatelangen Ringen ziehen, in der erschöpften wie stillen Hoffnung, dass der gut situierte Ehemann doch noch auftauchen würde, um die Aufmüpfige zur Vernunft zu bringen.
Bereits seit 1899 besuchte Maria Franck regelmäßig das Damenatelier des Malers Karl Storch in Berlin. Es folgten mehrere Sommeraufenthalte in Schleswig-Holstein, bei denen sie erste Kenntnisse und Erfolge in der Pleinairmalerei sammelte, ehe sie ihre Studien ab Januar 1903 an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins aufnahm: Ein Studium an der Kunstakademie war Anfang des 20. Jahrhunderts ausschließlich den männlichen Kollegen vorbehalten.
Mit Verve stürzte sich die kontaktfreudige Maria Franck in das pulsierende Leben Schwabings, froh, mit ihren knapp 25 Jahren der Enge und Konvention des elterlichen Hauses wenigstens für kurze Zeit entflohen zu sein. Selbstbewusst nahm sie die Studien als sogenanntes „Malweib“ in den Ateliers der Damen-Akadmie auf und folgte mit großem Ehrgeiz dem Unterricht. Ihr Enthusiasmus bekam allerdings rasch einen Dämpfer, denn in Berlin sah man ihre künstlerischen Eskapaden mit wachsenden Argwohn. Die Eltern, allen voran Helene Franck, drängten auf eine baldige Rückkehr der lebensfrohen Maria. Zurück ins häßliche Berlin? Eingezwängt in ein Korsett aus Spießertum und reaktionärem Denken, das nicht ihren Vorstellungen von einem freien, selbst bestimmten Leben entsprach? Unvorstellbar. Und doch fügte sie sich.
Der Gedanke, ihre Tochter auf Immer an die ferne Stadt zu verlieren, um dort ein nicht standesgemäßes Leben, womöglich mit permanenten Existenzsorgen und wechselnden Männerbekanntschaften zu führen, muss für Helene Franck quälend gewesen sein – auch in Hinblick auf die Berliner Gesellschaft. Was die Leute reden werden? Dennoch lenkte sie nach nervenaufreibenden Diskussionen ein, wohl auch nach gutem Zureden ihres Ehemanns, den die eigenwillige Tochter mit ihrem Charme gnädig stimmte: „Nur um einem immer unfreundlichen und unzufriedenen Gesicht aus dem Wege zu gehen, sagte auch ich ja. Verstehen thue ich es nicht! Warum München und nicht Berlin?“,7 schrieb ihr die Mutter im Herbst 1904 ratlos hinterher, als Maria endlich nach München zurückkehren durfte. Was Helene Franck nicht wußte: Maria hatte sich verliebt. Unglücklich verliebt, wieder einmal. Diesmal hieß der Angebetete Angelo Jank, ihr Lehrer, verheiratet und durchaus wechselnden Affären aufgeschlossen. Am Ende wird auch er nur mit ihren Gefühlen gespielt haben und in den darauffolgenden Monaten eine unrühmliche Nebenrolle übernehmen, in einem mit zwischenmenschlichen Verstrickungen aufgeladenen Drama, das auf einem Schwabinger Bauernball seinen Anfang nimmt. Die Hauptpersonen: Maria Franck, Marie Schnür und Franz Marc sowie Anette Simon, die gern Vergessene, in diesem Quartett d’amour. Von diesem nervenaufreibenden Lebenskapitel Maria Marcs soll jedoch an anderer Stelle ausführlicher erzählt werden. Bevor sie (un)gewollt Akteurin in diesem Reigen der Gefühle wurde und Franz Marc ab 1906 näher kennenlernte, erlebte Maria Franck noch einen Malsommer in der Künstlerkolonie Worpswede, in der Nähe des Kreises um Otto Modersohn, Maler und Ehemann der später berühmten Paula Modersohn-Becker.

Der Befreiungsprozess von den Eltern sollte sich über Jahre hinziehen. Selbst als Maria bereits mit Franz Marc liiert war und beide auf eine baldige Eheschließung hofften, flammten die Diskussionen und Vorhaltungen immer wieder von Neuem auf. Zu Beginn des Jahres 1911 verbrachte Maria Marc einige Monate in Berlin, begleitet von depressiven Verstimmungen und einer sich hinziehenden Krankheit, an dessen Ende die Eltern ihre inzwischen 35jährige Tochter frei gaben.
Der Abnabelung von den Eltern einher ging die Selbstfindung als ernstzunehmende Künstlerin und der sehnlichste Wunsch, Kinder zu bekommen. Welch einem äußerlichen wie inneren Druck sah sie sich ausgesetzt! So schreibt sie am 25. Februar 1912 an ihre Freundin Elisabeth Macke: „Uns gehts im grossen und ganzen schon gut, wenn auch manches zu wünschen und zu sehen übrig bleibt – trotz Frühling – Liebe und Doktor! Aber wir hören nicht auf zu hoffen.“8 Ihr Hoffen und Bangen war vergebens.
Ihr Verzehren nach einem erfüllten Familienleben spiegelt sich auch in den Motiven ihrer Werke wieder. Einige der gut drei Dutzend Ölgemälde sind in Museen wie dem Lenbachhaus München, Ludwig Museum Köln oder dem Schlossmuseum Murnau zu sehen. Die erhaltenen Arbeiten aus dem Nachlass zeigen oft Kinderszenen mit Titeln wie „Kathi im Wagen“ (1910), „Kinderspielzeug mit Vogelkäfig“ (1911), „Kinder zwischen Blumen“ (1913), „Mädchen mit Kleinkind“ (1913) oder „Mutter mit Kindern“ (1913), die sichtbar im Stil von den Kinderstudien und Stillleben August Mackes inspiriert sind.
„Weibliches Beiwerk männlicher Kunst“ wollte Maria Marc nie sein. „… ich fange an, selbstständig im Leben zu stehen – und spüre, dass eine Kraft in mir zu leben und zu wachsen beginnt, die ihre Wurzeln in dem Zusammenleben und meiner Ehe mit Franz hat. Aus diesem innerlich so reichen Leben schöpfe ich heut alles was ich für diese Erdenzeit noch brauche.“9, so Maria Marc am 24. März 1920 an Gabriele Münter, nachdem die ersten Jahre nach dem Tod von Franz Marc von der Verwaltung seines Nachlasses bestimmt waren. Das Interesse an seinem Werk wuchs stetig und verlangte ihr ein enormes Arbeitspensum ab. In ihr reifte die Überzeugung, einen Neuanfang als Künstlerin zu wagen. Mit 46 Jahren wählt sie zum Wintersemester 1922/23 den Weg nach Weimar, um sich am dortigen Bauhaus, von Walter Gropius 1919 gegründet, für zwei Semester einzuschreiben. Dort traf sie wieder auf Paul Klee und Wassily Kandinsky, die beiden Künstlerfreunde aus vergangenen Tagen und schloss eine enge Freundschaft mit Julia Feininger, der zweiten Ehefrau des Künstlers Lyonel Feininger, ebenfalls „Meister“ am Bauhaus. In der Klasse von Helene Börner studierte sie die Kunst der Weberei und ließ sich in der Fertigung von Gobelins ausbilden, um kunstvolle Arbeiten nach Motiven ihres verstorbenen Mannes zu kreieren. Später, als sie zwischen 1929 und 1939 überwiegend in Ascona lebte, begann sie mit Pflanzenfarben zu experimentieren und entwickelte eigene Rezepturen zum Färben der Wolle. In dieser äußerst kreativen Zeit, in der sie sich auch aufgeschlossen gegenüber der Monte Verita-Ideen zeigte, entstanden wunderschöne Teppiche, die zwar inspiriert vom Blauen Reiter, jedoch ganz eigenständig in der Bildkomposition waren. Die Künstlerin Maria Marc hatte sich neu erfunden.

Den Nationalsozialismus ablehnend, lebte die Pazifistin Maria Marc während des Zweiten Weltkriegs zurückgezogen in ihrem Haus in Ried. Auf dem Grundstück lässt sie sich eine Hütte bauen, um darin eine Werkstatt für ihren Webstuhl unterzubringen. Maria Marc, die zeitlebens ihre Freundschaften äußerst sorgsam pflegte und regen Kontakt zu den Künstlerfreund*innen des Blauen Reiters hielt, blieb auch in dieser schwierigen Zeit hilfsbereit bei Sorgen und Nöten. Nach dem Kriegsende 1945, mit dem Einsetzten der Rehabilitierung der Moderne, stehen ihr wieder arbeitsintensive Jahre bevor, in denen sie sich um das Werk ihres Mannes kümmern wird, das unter den Nationalsozialisten als „entartet“ galt und aus den Museen und Galerien entfernt wurde. So unterstützt sie tatkräftig erste Franz Marc-Ausstellungen mit Leihgaben und beginnt akribisch zusammen mit dem Kunsthistoriker Klaus Lankheit den umfangreichen schriftlichen Nachlass von Franz Marc zu sichten und zusammenzutragen. 1949 wird in München die erste Blaue Reiter-Ausstellung nach dem Krieg eröffnet. Mit Otto und Etta Stangl lernt sie junge Kunstliebhaber und Förderer kennen, die in ihrer neu gegründeten „Modernen Galerie“ den expressionistischen Künstlern und der zeitgenössischen Avantgarde ein Forum boten. Maria Marc überträgt schließlich Otto Stangl die Vertretung des künstlerischen Werks von Franz Marc und 1952 zeigt die Galerie auch erstmals ihre kunstvollen Webarbeiten, die sie bis Anfang der 1950er Jahre anfertigte: 11 Wandteppiche zusammen mit einer Auswahl an Zeichnungen aus dem Skizzenbuch aus dem Feld von Franz Marc. 1985 wird Otto Stangl zusammen mit den Erben den testamentarischen Wunsch Maria Marcs erfüllen, „die im Nachlass befindlichen Werke ihres Mannes einem namhaften Museum zu übermitteln.“ Der Bayerischen Staatsgemäldesammlung wurden elf Arbeiten von Franz Marc übergeben, die nach der Gründung der Franz Marc Stiftung den Grundstein für das heutige renommierte Franz Marc Museum Kochel a. See bildeten.
„Dieses Ried frisst mich auf und ist mir keine rechte Heimat mehr, durch die unangenehmen fremden Leute. Es ist traurig, aber schwer zu ändern.“10, wendet sich Maria Marc am 16. August 1949 an Gabriele Münter. Nach dem Auszug ihres langjährigen Untermieters Heinrich Kaminski, den es als jungen Musiker 1915 von Berlin nach Ried verschlagen hatte und der mit seiner Familie das Haus bis 1937 mit bewohnte, musste sie nach dem Krieg Einquartierungen und neue Mieter akzeptieren. Auch war das Haus mit den Jahren renovierungsbedürfig geworden, so dass sie daran immer weniger Freude hatte. In den 1950er Jahren brachten die Sommeraufenthalte der Kinder ihrer verstorbenen Nichte in Ried ein wenig Abwechslung in das Leben der alleinstehenden „Tante Mizi“, die sie mit ihrem legendären Gugelhupf verwöhnen konnte.
Der Lebensweg von Maria Marc endet nach längerer Krankheit am 25. Januar 1955 in Ried.
Der Schnee liegt hoch, als Freunde und Angehörige Abschied nehmen. Maria Marc findet ihre letzte Ruhe auf dem kleinen Friedhof von Kochel, im Grab ihres Mannes, dessen Leichnam sie 1917 aus Frankreich überführen ließ. Gut möglich, dass die Trauergemeinde nach der Beerdigung in den nahen Gasthof hinübergegangen ist, um sich aufzuwärmen. Dort, Zur Post, ist in den letzten Faschingstagen von 1906 ein junger Maler aus München abgestiegen, zusammen mit seiner neuen Bekannten, die er nur wenige Wochen zuvor auf einem Künstlerball in Schwabing getroffen hat. Man möchte erste Tage des Zusammenseins miteinander verbringen. Noch ahnen beide nicht, als sie gemeinsam durch die tief verschneite Landschaft von Kochel stapfen, welchen großen Gefühlsverwirrungen sie entgegengehen …
Anmerkungen:
1, 2, 3 Maria Marc, Aus meinem Leben mit Franz Marc, S. 104, Katalog Ausstellung Maria Marc Leben und Werk, 1995 Lenbachhaus München
4, 5 Brief Maria Marc an Gabriele Münter, 15. Februar 1918, S. 105, Katalog Ausstellung Maria Marc Leben und Werk, 1995 Lenbachhaus München
6 Brief Maria Franck an Franz Marc, 14. September 1907, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Erwähnt in Franz und Maria Marc – Biografie eines Künstlerpaares, Kirsten Jüngling/Brigitte Rossbeck, S. 20
7 Kirsten Jüngling/Brigitte Rossbeck, Franz und Maria Marc – Biografie eines Künstlerpaares, S. 28
8 Brief Maria Marc an Elisabeth Macke, 25.2.1912, Elisabeth Macke-Erdmann, Erinnerungen an August Macke
9 Brief Maria Marc an Gabriele Münter, 24. März 1920, S. 107, Katalog Ausstellung Maria Marc Leben und Werk, 1995 Lenbachhaus München
10 Brief Maria Marc an Gabriele Münter, 16. August 1949, S. 118, Katalog Ausstellung Maria Marc Leben und Werk, 1995 Lenbachhaus München
Der Artikel ist zugleich als Beitrag für die Blogparade #femaleHeritage der Monacensia München erschienen.
Lieber Michael,
ich bin immer sehr berührt, wenn ich über Künstlerinnen aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts lese. Wie sehr sie doch abhängig davon waren, dass der Papa oder die Ehemänner ihnen erlaubten, sich künstlerisch zu betätigen. Marias Werdegang war natürlich dann durch den frühen Tod von Franz überschattet. Und ja, das mangelnde Selbstbewusstsein in das eigene Schaffen, das mag man auch heute noch kennen.
Danke für den schönen Beitrag, der einen mitnimmt in die Gedankenwelten von Franz und Maria.
Herzlichst,
Anke
LikeGefällt 1 Person