Der Fundus




HAMLET:  Gnädige Mutter –
KÖNIG: Gertrud, trink nicht!
KÖNIGIN: Ich will es, mein Gemahl; ich bitt‘, erlaubt es  mir! (Sie trinkt)
KÖNIG: (beiseit) Es ist der gift’ge Kelch; es ist zu spät.
William Shakespeare
Hamlet

Die Tür öffnet sich zu einem riesigen Sammelsurium! Einem Flohmarkt nicht unähnlich, präsentieren sich in vollgestopften Regalen, die teilweise bis unter die Decke reichen, die für das Spiel so wichtigen Dinge: die Requisiten. Dort liegen sie und harren auf ihren Auftritt, der dem Spiel nicht selten zur entscheidenden Wendung verhilft. Wie „schwer“ wiegt doch das Requisit in seiner Bedeutung für die Rolle. Welchen entscheidenden Einfluss das Requisit auf den Fortgang des Dramas nimmt!  (Denken wir nur an die Limonade in Schillers Kabale und Liebe, die mit ihrer schweren Süße den bitteren Geschmack des Todes übertünchte und damit  in die Weltliteratur eingegangen ist.) Welche Geschichten haben sie zu erzählen, die kleinen Raritäten des Alltags? Die zahllosen Gläser oder Flaschen, deren Inhalt schon so manches Unheil, aber auch ewiges (Liebes) Glück über die Protagonisten brachte, wie das geheimnisvolle Elexier in Donizettis Liebestrank. 

Und was gibt es nicht noch alles hier zu entdecken, in dieser Schatzkammer des Theaters! Nicht, dass alle der hier gehorteten Gegenstände besonders wertvoll oder edel wären. Viele der Stücke sind materiell nur von geringem Wert und würden wohl bei einer Wohnungsentrümpelung achtlos im Container landen. Doch für uns Geschichtenerzähler am Theater werden diese unscheinbaren Gegenstände zu wertvollen Raritäten. Sie setzen unsere Phantasie in Gang und bereichern unser Spiel. Bei Inszenierungen verwandeln sie sich zu wichtigen, ja zu unerlässlichen Spielpartnern und wehe das gute Stück liegt nicht an seinem Platz! 

Von diesen schönen, hässlichen, verrückten, feinen, besonderen, skurrilen und einfachen Dingen, die über die Jahre hinweg zusammengetragen und gesammelt werden, möchte ich Euch hier, im Fundus, erzählen. Aber auch den kleinen und großen Fundstücken, die zu Inspirationen wurden, soll dieser Raum gehören. Das Requisit, seine Geschichte und das Spiel mit dem Requisit stehen hier im Mittelpunkt. 

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Detail im Bühnenbild von L’elisir d’amore, Oper Schloss Maxlrain, Sommer 2017
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Requisiten auf der Probe zu La clemenza di Tito, Oper Schloss Maxlrain, Sommer 2018