Meine Entdeckungsreise durch die Zeit der Welt von Gestern
Ein literarisches Langzeit-Projekt ab 2016

Stefan Zweig. Er ist einer meiner Lebensautoren.
Michael Stacheder
Bereits seit mehreren Jahren beschäftige ich mich mit dem Leben und Werk Stefan Zweigs, dessen Vision von einem geeinten Europa, einer friedlichen und demokratischen Welt nichts an Aktualität eingebüßt hat. Der große Europäer und weit vernetzte Kosmopolit Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien, in die Zeit des Fin de Siècle geboren. Das Habsburger Reich und das damalige Europa, schon in Agonie verharrend, taumelte bereits zusammen mit einer morbiden Gesellschaft zwischen gepflegter Langeweile und einem Tanz auf dem Vulkan ihrem Untergang entgegen. „Die Erinnerungen eine Europäers zeigen noch einmal die Gelöstheit und Heiterkeit Wiens und Österreichs in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, sie zeigen Glanz und Schatten über Europa bis zum Sonnenuntergang, bis zu Hitlers Machtergreifung, bis Europa sich zum zweiten Mal selbstmörderisch zerfleischte im Bruderkriege.“, so der Innentext der aktuellen Taschenbuch-Ausgabe der Welt von Gestern, erschienen im S. Fischer Verlag. „Stefan Zweig hat hat die Welt von Gestern als Zeitzeuge aufgezeichnet und dabei nicht so sehr sein eigenes Schicksal festgehalten, sondern das seiner Generation“. Er wurde mit seinen Lebenserinnerungen zum Chronisten seiner Zeit. Fern seiner Heimat, im brasilianischen Petrópolis, nahm er am 22. auf den 23. Februar 1942 zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Lotte eine Überdosis Veronal. Beide wurde mit einem Staatsbegräbnis am 24. Februar 1942 auf dem Friedhof von Petrópolis beigesetzt.
Wie Satelliten umkreisen meine literarischen Programme den Kosmos Stefan Zweig und dessen Welt von Gestern, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ausgelöscht wurde. So begann ich 2016 Abende mit den Stimmen aus der Welt von Gestern zu konzipieren, die größtenteils mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in Europa verstummten, vertrieben und ihre Werke verboten, verbrannt wurden. Ich möchte damit einem interessierten Publikum die teilweise vergessenen Werke und das Leben der einzelnen Protagonisten dieser Zeit näher bringen, die uns noch immer viel zu sagen haben. Neben einer Lesung mit Texten von Oskar Maria Graf entstand 2016 ein Abend mit Arthur Schnitzler und seinen süßen Wiener Mädel, gefolgt von Franz Kafka und seinen bis heute viel gelesenen Briefe an Milena (2017). 2018 arrangierte ich für eine Lesung zum „Tag der verbrannten Bücher“ eine Anthologie mit Texten von verfemten Schriftstellerinnen und Schriftsteller, darunter Irmgard Keun, Bertha von Suttner, Erich Kästner, Joseph Roth und Lion Feuchtwanger. 2019 stellte ich in Erinnerung an die Bücherverbrennungen von 1933 zum ersten Mal ausgewählte Texte aus der Welt von Gestern und anderen Erzählungen von Stefan Zweig für ein literarisches Porträt (Ein Blick in die Welt von Gestern) zusammen.
Meine literarische Entdeckungsreise durch die Zeit der Welt von Gestern werde ich fortsetzen. So begannen im Frühjahr 2019 die Recherchen rund um den Briefwechsel von Franz und Maria Marc, der unter dem Titel Ich will Dich an der Hand führen, um Dir die Wunder der Welt zu zeigen in einer Konzertlesung dem Publikum präsentiert und der einen unverstellten Einblick in das alltägliche Leben der „Blauen Reiter“, der Kunstszene und der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ gibt. Die Premiere fand am 1. November 2020 im Franz Marc Museum Kochel a. See statt.
Auch meine Beschäftigung mit der Welt von Gestern, dem eigentlichen Hauptwerk meines über Jahre angelegten Literaturprojekts, werde ich fortführen, um daraus 2022 eine abendfüllende Lesung zu konzipieren. Ferner möchte ich den Zeitgenossen und engen Freunden Stefan Zweigs, Joseph Roth und Romain Rolland, sowie dem Briefwechsel Zweigs mit seinen beiden Ehefrauen Friderike und Lotte gesonderte Abende widmen. Darüber hinaus rückt immer mehr Ödön von Horváth in den Fokus meines Interesses, oder auch der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard.
Ich habe meiner Person niemals soviel Wichtigkeit begemessen,
dass es mich verlockt hätte, anderen die Geschichte meines Lebens zu erzählen.
Stefan Zweig