Lass dich fesseln, flüchtiger Gedanke!
Gotthold Ephraim Lessing
Philotas
Dort, hoch oben, in schwindelerregender Höhe, im Schnürboden verborgen, hängen aufgereiht jeden Abend Teile der Dekorationen, Scheinwerfer und diverse Vorhänge, die später, im Laufe der Aufführung, an Zügen majestätisch heruntergelassen, fantastische Bühnenwelten entstehen lassen. Lautlos, aus dem Nichts kommend, gleiten sie aus dem Dunkel, hinunter auf die Bühne, um ebenso still wieder nach oben zu entschwinden.
Hier in den Theaterwelten gibt es auch einen Schnürboden.
Quer durch meinen Denkraum sind zwei Fäden aus schwarzem Schusterzwirn zwischen gegenüberliegenden Bücherregalen gespannt, auf denen, über meine beiden Arbeitstische schwebend, so Allerlei aufgereiht ist:
Noch nicht zu Ende gedachte Gedanken warten dort oben ebenso wie eine vage Idee, immer im Blick, auf ihre Vollendung. Dazwischen erste, flüchtige Skizzen und Notizen von Projekten, die vor sich hin baumelnd und in mir gärend, noch nicht gleich in die Konzeptbücher übertragen werden können. Zu gewissen Zeiten hängt der Schusterzwirn ziemlich durch, so dicht gedrängt versammeln sich die Zettel nebeneinander! Oft pflücke ich den einen oder anderen Schnipsel von dort oben, um den darauf notierten Einfall weiterzudenken oder aber auch, um ihn am Ende dann doch zu entsorgen. Neben all den Ideen, Skizzen und Einfällen sammle ich in meinem Schnürboden aber auch Postkarten, Gedanken, Zitate, Zeitungsausschnitte, Fotos, Assoziationen, die später zur Inspiration werden oder auch scheinbar belangloses, wie die ISBN-Nummer irgendeiner literarischen Neuerscheinung, die um schnellstmögliche Aufnahme in die Theaterwelten-Bibliothek bittet.
Der Schnürboden, mein schwebender Zettelkasten.
