Die Theaterwelten




Ich liebe es, Theater zu spielen. Es ist so viel realistischer als das Leben.
Oscar Wilde




Hereinspaziert,

in die Theaterwelten, Lieblings- und Sehnsuchtsort für alle, die nicht ohne die berühmten Bretter können, die die Welt bedeuten. Manch einen ziehen sie magisch an und lassen  diesen nicht mehr los, trotz aller Entbehrungen und Strapazen, Hürden und Tiefschläge, welche sie für uns Theatermacher manchmal bereit halten.  Wenn das Theater die Nahrung für die Seele ist, dann müssen wir weiterspielen! Wir können es einfach nicht lassen, wir Theaterwahnsinnige, Theaterbesessene! Wir müssen spielen – und davon will ich Euch hier erzählen. 

Während meiner ersten Regiearbeit für die Oper (L’elisir d’amore) öffnete ich zum ersten Mal mein Arbeitsjournal, die Theaterwelten. Begleitend zur Produktion stellte ich aus meinen gesammelten Materialien, Collagen und Skizzen, sowie aus den zahlreichen Notizen und Inspirationen vertiefende Texte zusammen. Ich verließ den geschützten Raum und versuchte, den gewohnten Entwicklungsprozess einer Inszenierung aufzubrechen. Der interessierte, potenzielle Theaterzuschauer durfte mit dabei sein, wenn eine erste Idee sich entwickelte oder auch letztendlich zum Scheitern verurteilt war. Dieses Öffnen der Werkstatt wirkte sich insgesamt positiv auf das Projekt aus: Das Feedback von außen bereicherte meine Arbeit und belebte die Entstehung der Inszenierung ungemein. Das öffentliche Erzählen half mir persönlich die eigenen Gedanken und Ideen zum Stück zu überprüfen. Bei meinem nachfolgenden Regieprojekt, Mozarts La clemenza di Tito, öffnete ich für das Publikum ebenfalls mein Arbeitsjournal. Und Inzwischen füllte es sich auch für das Projekt Ich will Dich an der Hand führen, um Dir die Wunder der Welt zu zeigen – Aus dem Briefwechsel von Franz und Maria Marc mit viel Hintergründigem rund um den Blauen Reiter.

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Das analoge Theaterwelten-Arbeitsjournal, April 2019. Ein Ordner als Füllhorn voll mit Ideen, Notizen, Zeitungsschnipsel, Gedanken, Bildern, Fotos und mit mehr oder weniger bedeutenden Tagesgeschehnissen und Befindlichkeiten.

Ich darf Euch einladen, durch meine Theaterwelten zu wandeln, die einzelnen Räume mit ihren zahlreichen Geschichten, Gedanken und Inspirationen zu entdecken, die sich von Projekt zu Projekt weiter füllen und verändern und zusammen ein Portfolio meiner Arbeiten bilden:

Im Foyer, Ort zahlreicher Begegnungen, lauschen wir den Gesprächen, greifen den einen oder anderen Gedanken auf und nehmen diesen mit, bevor wir uns im Magazin wiederfinden. In diesem Depot der leeren Räume lassen sich Inspirationen, Bilder und Skizzen für die entstehenden Bühnenräume entdecken, räumliche Assoziationen aus dem Alltag und schlussendlich wird der Schauspieler den leeren Raum mit Leben füllen. Unsere Expedition führt uns weiter über den Fundus, wo in Regalen gestapelt, vergessene Raritäten und Requisiten mit ihren Geschichten lagern, die zu Impulsgebern für die Schauspieler werden, hinauf in den Schnürborden. Dort hängen sie, aufgereiht, die zahlreichen Zetteln und Schnipseln mit Angedachtem, ersten Ideen und Textfragmenten, Fundstücke wie Postkarten, Fotos und Zeitungsausschnitte sowie Tagesschnipsel, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Sie harren dort oben aus, um irgendwann vielleicht Teil eines Projekts zu sein. Einer meiner Lieblingsorte! Hinunter gehts in die Bibliothek und in die Dramaturgie, meinen Denkräumen. Hier wird recherchiert, entdeckt, konzipiert, verworfen und weitergedacht, bevor wir einen Blick in die Garderobe wagen: Raum der Metamorphose. Auf einem Kleiderbügel wartet das Kostüm. Die Verwandlung kann beginnen! Auf den weit verzweigten Wegen der Theaterwelten gelangen wir endlich auch in die Kantine. Hier pulsiert das Theaterleben, hier trifft sich alles, was sich Theaterschaffender nennt. Hier werden Gedanken vertieft und Theateranekdoten und Geschichten über das Theater zum Besten gegeben und Rezepte als besondere Inspiration ausgetauscht. Aber was wäre ein Theater ohne seine Probebühne? Ein Raum des Aufbruchs, voller Konzentration, Energie und Neugierde. Was für eine lebendige Werkstatt! 

Eigentlich würde hier unser Streifzug durch die Theaterwelten enden, aber ab und an verlasse ich auch diese und begebe mich auf Recherche- oder Lesereise. Im Raum Theaterwelten auf Reisen möchte ich Euch auch davon erzählen und inspiriert von meinem Franz-und-Maria-Marc-Projekt (2019/20) entsteht mit Theaterwelten im Garten ein Raum, in dem sich Natur, Kunst und Literatur begegnen. Ein Raum zum Innehalten und des Experiments. 

Ich freue mich, wenn Ihr mich bei der Entstehung meiner Projekte begleitet und
mit dabei seid. 

Seid herzlich willkommen in meinen Theaterwelten.

Und nun bitte, Vorhang auf!

Michael Stacheder
Juni 2023