Also, das ist mein Theater. Vorhang, erste Kulisse, zweite Kulisse,
dahinter nur leerer Raum.
Anton Tschechow
Die Möwe
Das Magazin, meist ein großes Lager, ein Depot, in dem die Theater für ihre Stücke im laufenden Repertoire die verschiedensten Dekorationen lagern. Hier in den Theaterwelten ist es weit mehr als nur ein Lagerraum für Bühnenbilder. Neben ersten Entwürfen und Skizzen sammle ich hier Inspirationen und Assoziationen für neue Bühnenräume. Archiviere besondere, einzigartige oder auch schlichte, abgelebte Räume aus dem Alltag, die wir oft gar nicht mehr wahrnehmen, die aber lohnen, dass wir sie und ihre darin verborgenen Geschichten immer wieder neu entdecken. Inspirationen und Ideen für Räume finde ich aber auch oft in der Welt der Malerei und Architektur, der Kunst, die sich später vielleicht zu neuen Theaterräumen weiterdenken lassen oder den Ausgangspunkt für das eine oder andere Bühnenbild liefern.


Der berühmte leere Raum – ein faszinierender Ort. Ich mag ihn. Was kann nicht alles darin passieren! Wenn die Phantasie sich freisetzt und der Raum beginnt, sich zusammen mit der Geschichte zu verändern, ist das immer wieder aufs Neue ein spannender, faszinierender und inspirierender Prozess. Im Mittelpunkt der Entwicklung steht dabei zum Einen immer der Text als Basis für die Interpretation und zum Anderen die Spieler, die den Raum in Verbindung mit ihrer zu interpretierenden Rolle verändern und ihn dadurch erst „zum Leben erwecken“. Nichts schlimmeres als tote Räume, die nur als bloße Hülle der Bebilderung dienen.
Der Bühnenraum ist für mich in meiner Regiearbeit existenziell. Eine Raumidee muss her! Mit einer ersten vagen Ahnung von einem Raum, beginne ich, mich im Stück langsam vorwärts zu tasten. Ob ich nun neben der Regie auch den Bühnenraum entwerfe, wie das bei früheren Schauspiel-Produktionen und bei meinen ersten Opernarbeiten (L’elisir d’amore und La clemenza di Tito) der Fall war, oder ob ich zusammen mit einem Ausstattungsteam das Konzept entwickle, der Vorgang ist gleich: Die Mobilmachung meiner Phantasie setzt sich während meiner ersten Beschäftigung mit dem Stück aus dem leeren Raum heraus in Gang.
Für mich als kongeniale Partnerin hat sich dafür in den vergangenen Münchner Jahren die Bühnen- und Kostümbildnerin Aylin Kaip erwiesen. Sie ist mit ihren Räumen immer ganz nah bei den zu erzählenden Geschichten und überrascht dennoch immer wieder aufs Neue, mit beeindruckenden Bühnenwelten, die dem Spieler und Zuschauer neue gedankliche Räume eröffnen. Ihre Arbeiten, phantasievoll und poetisch, lassen die Aufführung zu einem sinnlichen Theatererlebnis werden und verhelfen der Inszenierung immer wieder zu neuen Impulsen. Mit einer großen Liebe für das Detail erschafft sie ihre Räume. Meine Arbeiten mit Aylin waren immer geprägt von einer großen verbindenden Gemeinsamkeit: Mit (De)Mut und Leidenschaft für ein lebendiges Theater. Und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich drücke mir/uns die Daumen, dass wir uns bald wieder in einem leeren Raum treffen.

Ich kann jeden leeren Raum nehmen und ihn eine nackte Bühne nennen. Ein Mann geht durch den Raum, während ihm ein anderer zusieht; das ist alles, was zur Theaterhandlung notwendig ist.
Peter Brook